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Samstag | 11/9/2024 |
Frank Richter, Petra Lux, Matthias Platzeck, Katrin Göring-Eckardt und Antje Hermenau gehörten nicht zu den führenden Oppositionellen, die gegen Machtverhältnisse in der DDR aufstanden. Doch die anschwellende Bürgerbewegung riss auch sie in den Strom der Geschichte. In der Friedlichen Revolution fanden sie ihre eigene Aufgabe zur Veränderung, schlossen sich Initiativen und Basisgruppen an und wurden zu Bürgerrechtlern. Ihr Ziel: eine andere, bessere DDR. Der Mauerfall änderte allerdings schlagartig die Perspektiven der Demokratiebewegung. Das Ziel einer reformierten DDR wurde vom Wunsch nach Wiedervereinigung verdrängt. Spätestens bei den ersten freien Volkskammerwahlen im März 1990 mussten die Bürgerrechtler bitter konstatieren, dass der Wille des Volkes in die deutsche Einheit führte. Mit der Wiedervereinigung endete für die meisten Bürgerrechtler das Abenteuer der Revolution. Sie kehrten in ihre Berufe zurück. Für andere war die Friedliche Revolution der Beginn ihrer politischen Aktivität, der sie bis heute treu geblieben sind, egal ob sie sich in der Regierung, in der Opposition oder in der Gegnerschaft zum politischen Mainstream befinden. Katrin Göring-Eckardt, Antje Hermenau und Matthias Platzeck brachte die Friedliche Revolution in das politische Tagesgeschäft der Bundesrepublik. Antje Hermenau sass für Bündnis90/Die Grünen im Sächsischen Landtag und im Bundestag, Matthias Platzeck wurde Umweltminister und schliesslich Ministerpräsident des Landes Brandenburg. Katrin Göring-Eckardt startete ihre politische Karriere im "Demokratischen Aufbruch" und bei "Demokratie Jetzt", die sie zu Bündnis90/Die Grünen und 1998 in den Bundestag führte. Als Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages ist sie heute fast die Einzige im Parlament, die aus den Erlebnissen und Erfahrungen der Bürgerrechtsbewegung von 1989 kommt. Antje Hermenau verliess 2015, nach 25 Jahren Mitgliedschaft, enttäuscht das Bündnis90/Die Grünen. Heute arbeitet sie als Unternehmens- und Politik-Beraterin. 35 Jahre nach der Friedlichen Revolution in der DDR befindet sich Deutschland erneut in einer Umbruchsituation. Viele Ostdeutsche haben das Vertrauen in die parlamentarische Demokratie und in die traditionellen Parteien verloren. Beleg für ihre Abkehr ist ihre Zustimmung zur AfD. Gegen das zunehmende ostdeutsche Unbehagen an der Demokratie, findet Antje Hermenau, helfen keine Rechthabereien und Brandmauern der etablierten Parteien. Als Frank Richter in seiner Funktion als Direktor der sächsischen Landeszentrale für Politische Bildung 2014 den Dialog mit PEGIDA-Anhängern suchte, wurde er als "PEGIDA-Versteher" heftig kritisiert. Inzwischen führt er als SPD-Landtagsabgeordneter einen Sisyphus-Kampf gegen das Erstarken der AfD. "Freiheit ist auch immer die Freiheit des Andersdenkenden" — der Satz von Rosa Luxemburg wurde zum Leitmotiv der Bürgerrechtler gegen die Machtverhältnisse der DDR. Die Opposition in der DDR war nie homogen und geeint war sie 1989 nur in dem Wunsch nach Demokratie. Es gab linke und rechte Bürgerrechtler. Mit der Ankunft im Parteiensystem der Bundesrepublik teilten sich die Wege der Bürgerrechtler nach links und nach rechts. Und auch nach sehr rechts. Vera Lengsfeld, eine der prominenten Figuren der Bürgerrechtsbewegung, verliess 1996 Bündnis90/Die Grünen aus Protest gegen deren "Schmusekurs" mit der PDS. Sie trat der CDU bei, die sie 2023 wegen deren Migrationspolitik wieder verliess. Sie hält das Parteiensystem für überholt und erhebt ihre Stimme gegen einen für sie unglaubwürdigen politischen Mainstream. Andersdenken als Widerstand?